Viele Banken stehen am Scheideweg, was ihr Verhältnis zur IT betrifft. Im Interview erläutern wir, welche Vorteile eine effiziente und ganzheitliche IT-Architektur bietet.
Warum sollte eine Bank, die in einem Bereich z.B. Treasury gerade die IT-Struktur samt Anwendungssystemen optimiert hat, schon wieder darüber nachdenken, ob man sie abschafft bzw. modernisiert?
Wenn mich isoliert nur dieser eine Bereich interessiert, dann müsste man tatsächlich nicht unbedingt darüber nachdenken – auch, wenn selbst dies angesichts der technologischen Halbwertszeiten zu kurz gedacht ist.
Eine solche Betrachtungsweise lässt allerdings völlig außer Acht, dass eine Bank ja aus mehreren Funktionsbereichen besteht (Frontoffice, Backoffice, Accounting, etc.), die in vielfältigen Prozessen ineinander greifen. Wenn man nun die Perspektive auf das Ganze einnimmt, so ist die geradezu zwingende Logik kaum mehr zu übersehen, dass eine IT-Struktur nur dann für die gesamte Bank effektiv funktioniert, wenn sie über alle Bereiche hinweg greift.
Ein lokales IT-Optimum bedeutet noch lange nicht, dass dies ein Baustein zum Gesamtoptimum ist. Im Gegenteil: Technische Elfenbeintürme, die unter Umständen sogar viel Geld kosten, stehen meist einer stimmigen Gesamtlösung entgegen.
Für Banken, die nicht nur Kosten mindern, sondern IT bestmöglich und flexibel für das Geschäft einsetzen und dessen Innovationspotential maximal nutzen wollen, gibt es deshalb meiner Meinung nach nur einen erfolgreichen Weg: Die isolierten Insellösungen für die einzelnen Bereiche zugunsten einer durchgehenden IT-Architektur aufzugeben.
Wir sprechen von den IT-Silos, die nicht zukunftsfähig sind?
Genau. Diese Silos sind nach wie vor ein Kennzeichen der Banken. Gemäß des Prinzips „IT follows Business“ hat sich die IT über Jahre hinweg an den Silo-Strukturen der Funktionsbereiche ausgerichtet. Die Funktionsbereiche selbst sind oft unterschiedlich gewachsen und bringen viele Altlasten mit. Das multipliziert sich auf die IT, die entsprechend komplex, unflexibel und teuer ist.
Die eminenten Nachteile dieser Silo-Philosophie liegen auf der Hand: Extreme Reibungsverluste an den Schnittstellen, unklare Zuständigkeiten, eine sehr problematische und häufig inkonsistente Datenhaltung und last but not least, ein sehr gefährliches Silo-Denken der Beteiligten, die nicht über den Tellerrand hinausblicken können sondern stattdessen eventuell sogar Macht- und Abwehrkämpfe gegen andere IT-Abteilungen führen.
Von einer Industrialisierung der Geschäftsprozesse ist man damit meilenweit entfernt.
Ohne das Paradigma der Silos aufzugeben hat man keine reelle Chance die Automatisierung weiter voranzutreiben.
Alles zusammen heißt das vor allem:
Wer an den IT-Silos festhält, der nimmt in Kauf, dass IT
- höchst unflexibel wird,
- hohe Kosten u.a. für die Schnittstellen anfallen,
- IT weiterhin nur als Erfüllungs-Technik, aber nicht als wichtiger Innovator betrachtet wird, und IT schließlich
- der notwendigen Industrialisierung der Banken-Geschäftsprozesse fern bleibt.
Erlauben Sie aber eine Einschränkung: In bestimmten Fällen kann eine Silo-Struktur durchaus sinnvoll sein – zum Beispiel wenn innerhalb eines Konzerns die Investment Bank tatsächlich ein originäres und von allen anderen Bereichen losgelöstes Geschäft betreibt.
Ohne Industrialisierung der IT kommen die vorhandenen Systeme schnell an ihre Grenzen?
Ja. Betrachten wir hier einmal ganz praktisch, was zum Beispiel bei der Einführung der Transaktionssteuer geschehen müsste: Eine Bank, die noch ihre Silo-Strukturen mit sich herumträgt, muss eine Vielzahl von Systemen anfassen, deren Schnittstellen anpassen, die Nutzer entsprechend schulen und dies nicht nur intern koordinieren, sondern es auch mit den Produktentwicklungszyklen der verschiedenen IT-Systemanbieter abstimmen.
Oft ist das eine unlösbare Aufgabe, die darin resultiert, dass – übergangsweise – Prozesse mit zusätzlichem Personal manuell bearbeitet werden, obwohl dies eigentlich leicht automatisierbar wäre.
Könnten das Banken nicht ganz schnell ändern?
Nun, so einfach ist das nicht, denn Banken tragen oft eine Reihe von Altlasten mit sich herum, die man sich nicht so einfach traut anzufassen, die sogenannten Legacy Systeme. Diese decken oft Kernfunktionen ab – und das Risiko einer Migration ist hoch, z. B. aufgrund mangelnder Dokumentation oder fehlender Fachkräfte.
Und selbst wenn keine Altlasten bestehen: Es ist mitunter ein Fehler, auf eine durchgehende Core-banking-Lösung zu setzen, wie man in anderen Branchen sieht. Eine solche Lösung kann man nämlich nicht mehr so leicht austauschen, es entsteht in der Folge eine starke Abhängigkeit zu dem Allein-Anbieter.
Dieser Anbieter hat dann nicht nur eine hohe Markt-macht; es wird zudem zu viel Prozess-Know-how transferiert, das eigentlich Kernkompetenz der Bank bleiben sollte. Ich hoffe, Banken wiederholen hier nicht die gleichen Fehler, die man schon in anderen Branchen gemacht hat.
Sie sagen, dass die Banken sich im Bereich IT noch auf dem Stand von 1990 befinden?
Natürlich nicht alle. Es gibt einige wenige mittel-ständische Banken, die den konsequenten Schritt weg von den IT-Silos bereits getan haben. Wo dies aber noch nicht geschehen ist, dort befinden sich die Banken tatsächlich im Vergleich zu Branchen wie Automotive und Manufacturing viele Jahre im Hintertreffen.
Aber die Aussage soll – unabhängig von der Überprüfbarkeit bis ins letzte Detail – vor allem eine Situationsbeschreibung sein, die zwangsläufig in der Forderung mündet, dass Banken umdenken müssen, sofern sie auch für gegenwärtige und künftige Herausforderungen gerüstet sein möchten.
Im Kern geht es dabei für den Informatiker immer wieder um die Frage: Wie kann ich das Geschäft optimieren und mit IT an der Wertschöpfung aktiv mitwirken?
Man sollte die Prinzipien „Performance by IT“ und „Business by IT“ doppelt unterstreichen, denn das Innovationspotential einer effizienten und ganzheitlichen IT-Struktur ist kaum zu überschätzen.
Eine ganzheitliche IT-Architektur aufzusetzen, kostet aber viel Geld?
Wir wissen von einer kleinen, mittelständischen Bank, die mit der konsequenten Umsetzung einer rundum integrierten IT-Architektur und dem Vorantreiben von Industrialisierung das Budget für ihre IT auf zwei Millionen Euro jährlich reduziert hat – und hier sind die Umsetzungskosten bereits drin.
Ich finde, das ist ein sehr beeindruckendes Ergebnis im Vergleich zum durchschnittlichen Budget von 150 Millionen Euro, die Banken ähnlicher Größe jährlich in ihre IT investieren.
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